Lieber Mitmensch!

Endlich habe ich Zeit, ein paar Zeilen zu schreiben. Dich wundert, dass ich gerade Dir schreibe? Es ist, weil ich Dich persönlich erreichen möchte. Ein paar Dinge will ich mit Dir bereden. Nicht alles auf einmal, aber so nach und nach. Zu viele Reden und Texte werden an die graue Masse gerichtet. Letztlich fühlt sich niemand selbst verantwortlich und jeder kann sich in dieser ominösen Menge verstecken. Damit dies nicht passiert, schreibe ich jeden Menschen direkt an. Heute bist Du an der Reihe.

Was ich Dir schon lange sagen wollte: Du bist korrupt. Du traust Deinen Augen nicht? Doch, doch. Ich schrieb: Du bist korrupt. Und nicht nur das. Du bist dazu noch bequem, selbstgefällig und nicht willens, Deinen Verstand zu benutzen. Außerdem zu feige, Dir dies einzugestehen. Wenn Du Deine Schnappatmung im Griff hast, erkläre ich Dir, warum ich es so sehe.

Bei Korruption fallen Dir sofort Konzernvorstände, Politiker aus Regierungen, Parteien und Parlamenten, IWF, FIFA, Banker und Mafia ein. Aber Du? Was hast Du damit zu tun? Hast Du Dich mal gefragt, warum die Genannten korrupt sein können? Bestimmt nicht. Weil Du es zulässt. Worüber ich schreibe, nennt man in der Öffentlichkeit nicht Korruption. Man sagt eher gesellschaftliche Teilhabe, Gehalt, Lohn, Zinsen, Renten, Pensionen, HartzIV, Boni, bezahlter Urlaub, bezahlte Krankheit, Mindestlohn, Sozialsystem (und Karriereleiter). Angeblich hart erkämpfte Errungenschaften. Ich sage dazu Bestechungsgelder. Reg Dich nicht gleich auf. Ich weiß, dass Du darauf angewiesen bist. Lies bis zum Ende. Obendrauf gibt es Smartphones, Computerspiele, schicke Autos, DSDS, Dschungelcamps, jede Menge Boulevard-Geschichten, kommerzielle Sportmeisterschaften. Tolle Shoppingangebote, teilweise so billig, dass sich HartzIV-Empfänger noch wie kleine Gewinner fühlen, weil die ärmsten Schlucker der Welt, unter menschenunwürdigen Bedingungen, die “Schnäppchen” produzieren. Aber es stört Dich nicht. Wenn die Dinge niemand kauft, hätten die Hungerleider noch weniger zu essen. Auf den ersten Blick plausibel. Tiefer willst Du im Moment nicht darüber nachdenken. Für Brot und Spiele ist gesorgt.

Der Haken an der Bestechung ist, dass der Bestochene das Maul zu halten hat. Er soll sich gefälligst nicht in die “große Politik” und “Ökonomie” mischen, obwohl sie sein eigenes Leben sind, und sich nicht beschweren. Er muss mit dem Deal, dass andere “denken” und “regieren” - ich arbeite und begnüge mich, einverstanden sein. Weil manche trotzdem aufbegehren, hetzt man Menschen aufeinander. In der Moderne organisiert man Gegensätze: Rassismus, Religionen, Alte gegen Junge, Männer gegen Frauen, Raucher gegen Nichtraucher, Christen gegen Atheisten, Dünne gegen Dicke, Einheimische gegen Flüchtlinge, man schuf Parteien (ab und zu sind sogar welche dabei, die Alternativen versprechen), … und schließlich Wahlen, um Stimmen und Verantwortung regelmäßig einzusammeln. Einmal in vier Jahren brauchen sie Dich. Teile und herrsche. Wer darüber nicht nachdenkt, so wie Du, dem wird es nicht auffallen, dass die Gegensätze nur künstlich sind und immer nach dem gleichen Muster vorsätzlich gestrickt werden. Du bist mit den Scheinproblemen so beschäftigt, dass Du nicht begreifen kannst, warum und wie Du bestochen wirst.

Du bist der typische, glückliche Sklave. Du beschwerst Dich über mangelhafte Freiheit, aber Du bist mit Deinem Anteil zufrieden. Bequemlichkeit und Angst, Deine Krümel vom Kuchen zu verlieren, lähmen Dich. Deshalb willst Du gar nicht wissen, wie es anders sein könnte. Beschränkst Dich aufs Jammern. Denkst Du, dass Dich noch jemand für voll nimmt? Du lässt Dich bestechen dafür, dass Du nicht nachdenkst und Dich nicht gegen die Regeln auflehnst, die Dich benachteiligen, und erst recht keine anderen forderst, aufstellst und umsetzt. Das soll kein Vorwurf sein. Ich kenne Dich gut. Im Grunde bin ich wie Du. Ich bin kein besserer Mensch.

Trotzdem noch ein paar Gedanken, falls Du es Dir anders überlegst und mit anderen Menschen etwas ändern willst:

Die erste und wichtigste Empfehlung ist: Vermeide Feindbilder. Sie lenken immer von systemischen Problemen ab. Lass Dich niemals und um keinen Preis gegen andere Menschen aufhetzen. Nicht gegen Alte oder Junge, nicht gegen Frauen oder Männer, nicht gegen Muslime, Juden, Christen, Atheisten, …, nicht gegen “Linke”, “Rechte” oder die “Mitte” …, nicht gegen Reiche oder Arme, nicht gegen Frau Merkel und ihre Kollegen und auch nicht gegen Banker und Spekulanten. Ob Du willst oder nicht: sie gehören alle zu uns. Das wichtigste, was wir Menschen brauchen ist Frieden, und der ist nicht verhandelbar.

Die zweite und ebenso wichtige Empfehlung ist: Sei positiv, setze Dich immer für etwas ein und niemals gegen etwas. Warum? Weil man zum Lernen gezwungen wird, es den Verstand schärft und die Sicht auf Alternativen bietet. Es ist zu einfach, gegen etwas zu sein. Sei nicht gegen Krieg, sondern sei für Frieden. Frieden ist mehr als das Schweigen der Waffen. Frieden in der Familie, mit den Nachbarn, mit allen Menschen im Land, mit anderen Völkern, aber auch mit den Tieren und der Natur - mit dem Planeten als unser Zuhause. Wettere nicht gegen das Geldsystem, sondern engagiere Dich für ein anderes, gerechtes, soziales. Schimpfe nicht auf die Parteiendemokratie, sondern setze Dich für Demokratie ohne Adjektiv ein. Dir fällt noch mehr ein. Denk einmal nach.

Die dritte unerlässliche Empfehlung ist: Informiere Dich. Gib Deinem TV eine lange Pause. Meide den Mainstream. Stell Dir Dein eigenes Nachrichtenprogramm zusammen. Lerne zuzuhören. Tu es bewusst. Bleib konsequent, aber tolerant. Sprich mit anderen Menschen, auch wenn sie Dir fremd scheinen. Lies ruhig mal längere Texte und Bücher. Gönne Dir und Deinen Lieben Denkpausen und Ruhe in der Natur.

Die vierte beachtenswerte Empfehlung ist: Traue keinem sogenannten Experten blind. Stelle alles in Frage und frage. Du bist der einzige Experte für Dein persönliches Leben. Vertraue niemandem, der über/für Dich regieren will. Erteile dem Machthunger, auch dem eigenen, eine Absage. Unterscheide das Regieren von intelligenter Führung. Schau den Führern mit kritischem Blick über die Schultern. Fordere Rechenschaft. Lass Dich nicht verführen.

Die fünfte unentbehrliche Empfehlung ist: Sei souverän, stolz und organisiere Dich. Nimm Deinen Lohn, Dein Gehalt, Deine Rente, Dein Hartz IV, die Sozialhilfe … nimm alles, was sie Dir geben, aber lass Dich nicht bestechen. Nimm es mit erhobenem Haupt. Werte es nicht als Almosen oder Ausgleich für Deine Arbeit, denn Lebenszeit ist unbezahlbar. Nimm es bewusst als Anzahlung auf Deine Forderung auf alles. Du bist die Kraft, die alles schafft und solltest Dich nicht mit weniger abspeisen lassen. Du brauchst keine Investoren, um eine Fabrik, ein Krankenhaus, eine Schule, ein Theater oder einen Sportplatz zu bauen oder um Alte, Kranke und Kinder zu versorgen. Du selbst bist, mit Deiner Tätigkeit, Dein eigener Investor. Du musst Dir von niemandem Geld gegen Zinsen leihen. Du kannst Dein Geld selbst erzeugen, sorgsam die Menge und Verwendung bestimmend. Übernimm die Verantwortung über Dein Leben. Du bist ein Mensch.

Es liegt an Dir, ob Du die Korruption beendest und neue Regeln schaffst oder nicht. Verzeih mir, wenn ich ein wenig unfreundlich klang. Es war nicht böse gemeint. Ich lass wieder von mir hören.

Viele Grüße

Dein Mitmensch

P.S.: Vergiss das Lächeln nicht.