Bild: “Don Quixote and Sancho Panza” by Honore Daumier (1850) via Wikipedia

Auf einem Blog wurde ich auf folgenden Blogbeitrag im INSM - Oekonomenblog aufmerksam: »Populismus: Gefahr für die Demokratie oder Denkzettel für erstarrte Politik?«

Auf die Ansichten zu Politik und Demokratie, Wahlen und Populismus gehe ich nicht weiter ein, weil ich diese Schwerpunkte oft genug zum Thema hatte. Ich picke mir den Teil mit der Gerechtigkeit in der Gesellschaft heraus.

Die Gerechtigkeit ist eine Frage des Blickwinkels. Der Sklave hat ganz sicher eine andere Meinung als sein Herr, der Unternehmer eine andere als sein Mitarbeiter, der Banker eine andere als der Kreditnehmer, der Vermieter eine andere als der Mieter. Daher ist Gerechtigkeit ein gutes Thema, um einen Streit zu beginnen. Jemandem ein »falsches Gerechtigkeitsvserständnis« zu unterstellen, ist schon mal so ein Anfang. Wahrscheinlich geht es dabei mehr um die Deutungshoheit und Gesetzgebung. Denn eine eindeutige Definition für Gerechtigkeit gibt es nicht.

Die Autorin des Blogbeitrages hat recht, wenn sie meint, dass Waren und Dienstleistungen keinen objektiven Wert haben. Menschen und Boden aber auch nicht. Das ist einer der Knackpunkte der Ökonomie. Ein Wert ist das Ergebnis einer Schätzung oder Messung. Die Schätzung ist selbsterklärend subjektiv. Kann damit nicht die Grundlage einer Wissenschaft sein. Die Messung ist ein empirischer Vorgang und benötigt einen definierten Wertmaßstab. Ein Kilogramm für die Masse, ein Meter für die Länge u.s.w. Die Ökonomie hat keinen definierten Wertmaßstab. Geld ist nicht definiert. Nirgendwo ist festgelegt, was ein Dollar, Yen, Euro, Rubel … ist. Das heißt in Kurzform: Bewertung von Waren und Dienstleistungen in Geld (auch ohne) ist immer subjektiv und willkürlich.

Was sich daran anschließt ist, dass selbst wenn ein Wertmaßstab definiert wäre, in diesem Fall das Geld, dann hätte dieser keinen Eigenwert. Ein Kilogramm hat selbst keine Masse oder der Meter hat selbst keine Länge. Er müsste nicht erzeugt und nicht gespart werden, könnte nicht knapp sein oder durch Manipulation verknappt werden und Verzinsung würde keinen Sinn ergeben.

Aber nehmen wir mal an, er hätte einen Eigenwert, weil er selbst eine Ware ist (Edelmetall, Weizen, Eier, Birnen …). Da es in westlichen Kulturen üblich ist, Menschen auf Stundenbasis zu mieten und zu bezahlen (Arbeitsrecht ist Gewohnheitsrecht, kein Menschenrecht, und stammt vom römischen locatio conductio operarum ab, dessen Modell die Sklavenvermietung locatio conductio rei war), stellen sich jetzt weitere Fragen. Was ist der Wert eines Lebens und was ist der Wert einer Stunde davon? Was ist der Wert für Gesundheit, Wissen, Talent, Fertigkeiten und der einer Stunde von diesen? Wir würden einem Zirkelschluss unterliegen - der Wert bestimmt den Wert. Denn der Wert der Ware enthielte schon die Werte, die wir eigentlich bestimmen wollen. Gold ist also auch keine Lösung. Ergo: Eine objektive ökonomische Wertbestimmung ist nicht möglich.

Der Lohn dagegen ist kein Wert sondern ein Preis. Der Preis ist das Ergebnis einer Verhandlung und muss nicht von einem Wert abgeleitet werden. Er hat deshalb gleichfalls keine wissenschaftliche Grundlage und beruht ebenfalls auf subjektiven, willkürlichen Faktoren. Angeblich Angebot und Nachfrage.

In der Tat ist es so, dass niemand mit wissenschaftlicher Exaktheit definieren kann, welche Löhne zu hoch sind. Es kann auch niemand schlüssig beweisen, ob Mindestlohn, HartzIV oder Renten ausreichend sind. Alles, was in der Ökonomie mit Werten und Preisen zusammenhängt ist willkürlich. Willkür ist die Grundlage dieser Gesellschaft, wie auch aller anderen Gesellschaften der letzten Jahrtausende. Willkür der Eigentümer gegenüber den Eigentumslosen.

Noch ein paar Worte zum Tausch. Zunächst die Frage, was tauschen Künstler, Beamte, Ärzte, Krankenschwestern, Feuerwehrleute, Soldaten, Anwälte, Putzfrauen, Busfahrer, Aktienbesitzer, Immobilienvermieter, Polizisten, Wissenschaftler, Politiker, Profisportler …? Nichts. Sie haben gar nichts zum Tauschen und wie ich oben gezeigt habe, ist ihre Leistung nicht objektiv bewertbar. Was hat der abhängig beschäftigte Arbeiter, Fischer oder Bauer zum Tauschen. Nichts. Auch ihre Leistung ist nicht objektiv bewertbar. »Tauschgerechtigkeit« und »Leistungsgerechtigkeit« gibt es nicht (, sonst müssten Shareholder und Menschen, welche ihr Einkommen aus Renten (keine Altersrenten u.ä.) beziehen, verhungern).

Nun ist es außerdem so, dass keiner für Geld arbeitet. Kein Mensch kann von Geld leben. Letztlich möchte jeder für seine Leistung Waren und Dienstleistungen aus der Gemeinschaft. Beim »Tausch« wird der Stärkere und/oder der Clevere seinen Vorteil suchen. (täuschen, tauschen) Das bedeutet, dass der Individualtausch keine »Gerechtigkeit« garantieren kann. Eigentum, Abhängigkeiten, Notsituationen, Monopolstellungen können ihn beeinflussen und von Menschen ausgenutzt werden. Freiwilligkeit ist wichtig. Sie ist aber keine »Gerechtigkeit« und gewährleistet diese nicht. Ein grundsätzliches Problem ist dabei, dass es keine Stunde »null« gibt und die Gemeinschaft keinen Reset-Knopf drücken kann. Daher ist »Tauschgerechtigkeit« eine leere Phrase. UND: Warum eigentlich »tauschen«?

Die entscheidende Frage ist, wie eine Gemeinschaft den wirtschaftlichen Rahmen inklusive Verteilung organisiert. Auf der Basis von Ökonomie über Angebot und Nachfrage und Wettbewerb und Krieg oder auf der Basis von Humanismus über Kapazität und Bedarfsdeckung und Kooperation und Frieden.

Der Schlüssel liegt in der Wertschätzung und der Anerkennung der Gleichwertigkeit (nicht Gleichheit) aller Menschen und ist damit auch eine Frage der Freiheit. Wertschätzung kann nicht knapp sein, muss von keiner Bank »geschöpft« und geliehen werden, lässt sich nicht weiterreichen, verzinsen und vor allem nicht tauschen. Trotzdem könnte man sie zu einer Währung machen. Diese lässt sich von jedem Menschen zu jeder Zeit erzeugen. Da bin ich schon in das umfangreiche Kapitel »Ideen zur Problemlösung« gerutscht.